Fehlerkultur: Fail fast, early and forward

Vor Kurzem haben wir bereits über das Lean-Prinzip „Build-Measure-Learn“ geschrieben. Der Schwerpunkt dieses Artikels lag auf dem Teil des Messens, also auf der Verwendung von Metriken, um die Auswirkungen eines Produkts zu verstehen. In diesem Beitrag befassen wir uns hingegen vor allem mit dem kontinuierlichen Lernprozess in einer Organisation. Dieser Prozess baut vor allem auf einer offenen Fehlerkultur in allen Ebenen auf.

Die „lernende Organisation“ ist weit mehr als ein häufig benutztes Schlagwort. Wir möchten an dieser Stelle auf einen bemerkenswerten Podcast von Reid Hoffman (Gründer von LinkedIn) hinweisen, in dem er Facebook-Gründer Mark Zuckerberg interviewt hat. Im Transkript dieses Interviews findet ihr zwölfmal das Wort „lernen“. Mark erklärt, dass schnelles Lernen der Kern der Strategie bei Facebook ist. Zwei Wörter sind in dieser Aussage wichtig: die Wörter lernen und schnell!

Aber was bedeutet das?

Ihr könnt lernen, indem ihr andere kopiert (nicht der Weg, den wir empfehlen). Ihr könnt jedoch auch auf die effizienteste Art und Weise lernen, die wir uns vorstellen können: FEHLER MACHEN!

Nur wer Fehler macht, kann daraus lernen

Ihr fragt euch vielleicht, ob wir verrückt sind. Doch lasst uns mal darüber nachdenken. Wenn wir Fehler machen, haben wir die Chance, uns selbst und unsere Handlungen zu reflektieren und aus diesen Fehlern zu lernen. Aber das erfordert eine Fehlerkultur, die in unserer Welt nicht immer akzeptiert wird. Wir sprechen oft mit Kunden, die Angst vor Fehlern haben. Aber wisst ihr was? Wir machen jeden Tag Fehler. Und aus Fehlern lässt es sich am besten und nachhaltigsten lernen.

Um besser zu werden sollten Unternehmen eine Fehlerkultur ohne Schuldfragen aufbauen. Aufhören mit dem Finger auf andere zu zeigen – Fehler zu machen ist ein Geschenk, das jeder nutzen sollte.

Fangt an, Fehler zu machen. Das bedeutet natürlich nicht, dass ihr leichtsinnige Fehler machen sollt oder gar dieselben Fehler mehrmals. Wir sprechen hier von Fehlerkultur und nicht von einem Unternehmen der Fehler. Wägt sorgfältig das Risiko ab und traut euch. Wir versichern euch, dass das Eingehen von Risiken keine negativen Auswirkungen auf eure Karriere haben wird – im Gegenteil.

Experimentieren ist der Schlüssel zum Erfolg

Wir möchten euch dazu ermutigen, zu experimentieren. Euch ermutigen schnell und effizient zu testen, was am besten funktioniert. Das bedeutet, dass ihr Folgendes tun solltet:

  • Protoypen schnell implementieren (auch wenn sie nicht perfekt sind)
  • diese nur einigen eurer User zeigen (A/B-Tests)
  • sie schnell ausrollen, aber auch schnell wieder zurückziehen können (darin ist Google ausgezeichnet)

Darüber hinaus sollte nach jedem Fehler ein sogenanntes Post-Mortem, also eine Manöverkritik eure Pflichtübung werden. Teilt eure Erfahrungen bezüglich eurer Fehler und was ihr daraus gelernt habt. Legt fest wie ihr diese Fehler in Zukunft vermeiden könntet. Testet diese Festlegungen auf Brauchbarkeit und passt diese bei Bedarf an.

Unserer Erfahrung nach scheuen Unternehmen sich häufig MCPs (Minimal Crappy Products) auf den Markt zu bringen. Wir bei der prosma bezeichnen damit die allererste rudimentäre Version einer Idee zur Lösung eines Kundenproblems.

Das MCP wird dann iterativ zum MVP (Minimum Viable Product) weiterentwickelt.

Ein MVP ist wortwörtlich ein minimal überlebensfähiges Produkt, also die erste minimal funktionsfähige Version eines Produkts. Es deckt den Kunden- bzw. Funktionsbedarf mit minimalem Aufwand und ist sehr wichtig für den weiteren Entwicklungsprozess. Eine Herangehensweise, die in einer Organisation ohne gesunde Fehlerkultur unmöglich wäre.

Die MVP-Methode ermöglicht wie keine zweite handlungsrelevantes Feedback – und das idealerweise in Echtzeit oder Zeitfenstern von Stunden oder Minuten (404 Tests). Das MVP wird schnell und einfach erstellt und verfügt nur über die nötigsten Kernfunktionen, um Arbeit, Geld und Zeit zu sparen. Es wird veröffentlicht, um Feedback von den Kunden einzuholen.

In der Softwareentwicklung sind vor allem frühzeitige Anwender hilfreich, die sich am besten in die Produktabsicht hineinversetzen können. So kann bereits in frühen Phasen herausgefunden werden, in welche Richtung sich das Produkt entwickeln soll. Ein Nebeneffekt ist, dass wir schon sehr früh Hinweise der Kunden für Verbesserungspotenzial erhalten.

So kann das MVP schrittweise zum besten Produkt für den Kunden entwickelt werden. „Fertig ausgereifte Produkte“ werden nach ihrem Launch oft durch den Markt korrigiert. An diesem Punkt sind Änderungen jedoch am aufwendigsten. Stelle ich durch den Markt fest, dass mein Produkt die Kundenwünsche nur unzureichend befriedigt, ist es meist schon zu spät. Die Investitionen die nun fällig wären, sind in den Aufbau einer Fehlerkultur viel nachhaltiger investiert.

Ein paar Beispiele für den erfolgreichen Umgang mit Fehlern gefällig?

Wir bei der prosma haben uns deshalb auf folgenden Standard committet: Wir nennen unsere allererste Version, mit der wir unsere Annahmen be- oder widerlegen, ein MCP. MCP steht für Minimum Crappy Product.

Es gibt zahlreiche Unternehmen, die bereits eine gesunde Fehlerkultur leben. Auf zwei davon möchten wir an dieser Stelle kurz eingehen. Ihr kennt sie sicher – ihre Namen sind Facebook und Netflix. Ist es Zufall, dass wir an dieser Stelle ausgerechnet über zwei der größten Tech-Player der Welt sprechen? Selbstverständlich nicht. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen einer ausgeprägten Fehlerkultur und Erfolg.

Beispiel Facebook:

Vielleicht habt ihr schon einmal vom „Ben-Testing“ gehört. Ein Mitarbeiter bei Facebook wollte prüfen, wie einfach es ist, Facebook stillzulegen. Der Praktikant schrieb ein Skript und war so erfolgreich, dass Facebook für mehr als 30 Minuten nicht verfügbar war. Was wäre wohl bei den meisten Unternehmen passiert, wenn ein Praktikant die Systeme lahmgelegt hätte? Bei Facebook wurde dieser Praktikant eingestellt. Sein Name ist Ben und er ist heute einer der Top-Entwickler. Der Fehler von Ben wurde nicht als Schaden am Unternehmen, sondern als Gewinn für dessen Stabilität in der Zukunft erkannt.

Beispiel Netflix:

Auch Netflix ist sehr gut darin seine Produkte iterativ zu verbessern. Im Gespräch mit Freunden und Bekannten ist euch vielleicht schon einmal aufgefallen, dass es einige Funktionen auf der Plattform gibt, die ihr nicht nutzen könnt.

Oder ihr bekommt heute eine Funktion angezeigt, die es morgen schon nicht mehr gibt. Ihr fragt euch, warum Netflix das tut? Damit wird Userfeedback eingeholt. Der Streaming-Anbieter hat keine Angst, Funktionen zu testen, die nicht gut ankommen. Er tut es einfach.

Und er geht sogar noch weiter. Habt ihr schon mal auf einen Button geklickt, der zu einer neuen Funktion führen sollte, und wurdet stattdessen auf eine Fehlerseite weitergeleitet? Das war vermutlich kein Zufall. Netflix bindet Buttons ohne Funktion ein um auszuwerten, wie viele User auf den Button klicken. Daraus leitet die Platform die Relevanz von neuen Funktionen ab. Danach erst wird entschieden, ob neue Funktionen überhaupt entwickelt werden oder nicht.

Natürlich bedeutet das nicht, dass ihr ab sofort eure Kunden mit Funktionen locken sollt, die es noch nicht gibt. Gerade kleinen Unternehmen könnten gravierende Fehler weniger verziehen werden. Haben die Nutzer noch keine positiven Erlebnisse mit eurem Produkt verknüpfen können, so ist der Aufbau von Vertrauen zunächst wichtiger.

Dem Prinzip, sich etwas zu trauen, tut dies jedoch keinen Abbruch. Durch bewusste Fehler wächst eine Unternehmung am nachhaltigsten und schnellsten.

Die richtige Fehlerkultur zählt

Um erfolgreich zu sein sind Fehler notwendig. Diesen beiden Beispielen belegen diese Feststellung nur zu deutlich.

An dieser Stelle möchten wir noch einmal an alle Führungskräfte und Entscheider appellieren:

  • Lasst Eure Teams (insbesonder Product Owner) Dinge austesten.
  • Bringt Prototypen auf den Markt.
  • Macht Fehler und erzählt anderen davon.

Eine gesunde Fehlerkultur ist für Unternehmen essentiell. Ansonsten werdet ihr nicht lernen und nicht besser werden.

7 Comments

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  1. […] wo es noch nicht rund läuft. Damit hast du die Chance, den Prozess immer wieder zu verbessern. Denn kontinuierliche Optimierung ist so wichtig für ein Unternehmen wie der Kakao für die […]

  2. […] und ein bisschen Selbstreflexion erfordert, kann es auf lange Sicht einen großen Beitrag zur Planungssicherheit und zum Vertrauen innerhalb des Teams […]

  3. […] Teams schätzen diese Technik aufgrund ihrer Einfachheit. Sie hilft dem Team aber nicht nur dabei, interne Schwachpunkte oder bereits gut funktionierende Elemente zu identifizieren. Sie geht noch einen wichtigen Schritt weiter, in dem das Team mögliche […]

  4. […] wirklich agile Organisation befindet sich ständig im build-measure-learn-Zyklus. Während Unternehmen im B2C-Bereich das weitestgehend verstanden haben, bewegen sich viele […]

  5. […] der Mehrwert, der euch besser macht und sich letztendlich natürlich auch auf den Gewinn auswirkt. Macht Fehler, lernt aus ihnen und werdet besser – nur so könnt ihr erfolgreich […]

  6. […] einer ergebnisorientierten Unternehmenskultur. Kern einer solchen Unternehmenskultur ist ein offener Umgang mit Fehlern. Mitarbeitende sollen motiviert werden, hoch hinauszuwollen, schnell zu scheitern und zu lernen. […]

  7. […] einer ergebnisorientierten Unternehmenskultur. Kern einer solchen Unternehmenskultur ist ein offener Umgang mit Fehlern. Mitarbeitende sollen motiviert werden, hoch hinauszuwollen, schnell zu scheitern und zu lernen. […]

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